zur Verfügung gestellt von Malte Daniel Rosenberg
Diese Seite entspricht im Wesentlichen meinem Redemanuskript (mit den Betonungen). Die Rede wurde in mehreren abenteuerlichen Sitzungen von Rhea Gleba, Sebastian Schönborn und mir geschrieben & am 7. Juni auf der Abiverabschiedung vorgetragen. Viel Spaß beim Lesen! |
ABIREDE am 7. Juni 1996:
Malte: |
Guten Abend. Wir begrüßen Sie alle noch einmal zur Verabschiedung unseres Abiturjahrgangs 1996 und auch wir wollen Sie mit einer Rede ennuyieren. Ergo werde ich nun vor dieser ehrenwerten Versammlung eine kurze Revision unserer Ära an diesem Institut präsentieren. |
Mephisto: |
Halte ein mit Deinen Fremdwörtern. Auch ein Abiturient darf sich ungeschwollen ausdrücken. |
Faust: |
Gönne ihm doch die Wonne, die Matura bestanden zu haben. |
Malte: |
Richtig. Doch bis es soweit war, daß wir diese Ehre hatten, auf schulgestempeltem Papier in sechsstündiger Lethargie uns geistig zu ergießen, hatten wir zwei Jahre Oberstufe zu bewältigen, in denen wir nun von unseren Tutoren auf das Abitur vorbereitet werden sollten. |
Mephisto: |
Was heißt hier überhaupt Vorbereitung? Die Pädagogen hatten doch eh nur die Absicht, ihre Schäfchen in die Exkremente zu reiten und ihre sadistischen Passionen zu realisieren. |
Faust: |
Aber Vorsicht! Dem ist nicht so! Denn die Reifeprüfung soll nicht der Pöbel erhalten, sondern sie soll dem und der Gelehrten vorbehalten sein. So verlangt das Prinzip der natürlichen Selektion ein hohes Niveau und kein vorher einstudiertes Frage-Antwort-Spiel des gemeinen Volkes. |
Malte: |
Es gab geteilte Meinungen, doch der Großteil des Jahrgangs wird dem wohl zustimmen, daß der Unterricht und die Vorbereitungsklausuren uns gut auf die "große Woche" eingestellt haben. Je näher diese jedoch rückte, desto größer wurde die Panik vor der Masse an Lernmaterial, die sich in den vergangenen drei Semestern angesammelt hatte. |
Faust: |
Oh ja, bis an die Sterne ist´s weit! Ach Gott! Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben. |
Mephisto: |
Oh glaubet mir, der manche tausend Jahre an dieser harten Speise kaut, daß von der Wiege bis zur Bahre kein Mensch den alten Sauerteig verdaut! |
Faust: |
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, durch die man zu den Quellen steigt... |
Mephisto: |
...Und eh´ man nur den halben Weg erreicht, muß wohl ein armer Teufel sterben. |
Malte: |
So reagierten die Lehrkräfte gnädig auf die Fragebombardements der "Aufgeregten" und gaben uns - halbwegs - befriedigende Hinweise, worauf wir unsere Prioritäten im Großen - und Detaillierten - zu setzen hatten. |
Mephisto: |
Und selbst dann: Mir ward von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum! |
Malte: |
Zusammenfassend gesehen zeigen die insgesamt guten Abiturergebnisse und die hohe Anzahl von Bestandenen, daß es doch eine umfassende Vorbereitung gab. Alles in allem: Der Erfolg spricht für sich! |
Mephisto: | Streberjahrgang! |
Faust: |
Streben ist des Schlechtesten nicht! Denn: Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen! |
Mephisto: |
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben, der ungebändigt immer vorwärts dringt, und dessen übereiltes Streben der Erde Freuden überspringt. |
Malte: |
Der Terminus "Streberjahrgang"
stammt selbstverständlich nicht von uns, sondern wurde
uns von anderen Jahrgängen infolge der an pädagogischen
"Kinderbewahranstalten" (Zitat
einer Fachkraft aus dem hiesigen Kollegium)
üblichen, durch Simplifikation stattfindenden
Stereotypenbildung oktroyiert. |
Faust: |
Man muß die Feste feiern, wie sie fallen! Das Volk ist frei, seht an, wie wohl´s ihm geht. Freud muß Leid, Leid muß Freude haben. |
Mephisto: |
Will keiner trinken? Keiner lachen? O schöner Brunnen, der uns fließt! Uns ward ganz kannibalisch wohl, als wie 500 Säuen! |
Faust: |
Damit ihr seht, wie leicht sich´s leben läßt: Dem Volk hier ward jeder Tag ein Fest! |
Malte: |
Manche dieser Feten wurden auch mit der Lehrerschaft geteilt. Denn die von einigen Lehrkräften so verteufelten Kursfeten förderten nachweislich das Lehrer-Schüler-Verhältnis, was sich auch positiv auf das Kursklima auswirkte. Wobei an dieser Stelle zu bemerken ist, daß das Ausmaß an Verbundenheit immer mit dem Charakter und der persönlichen Bereitschaft des jeweiligen Pädagogen in direkter Abhängigkeit stand. Generell war diese Bereitschaft vorhanden, da wir im Laufe der Oberstufe immer mehr als Persönlichkeiten mit einer eigenen Meinung anerkannt wurden. |
Faust: |
Eigene Meinung? Doch Euch des Schreibens ja befleißt, als diktiert Euch der Heilig Geist! |
Mephisto: |
Damit Ihr nachher besser seht, daß er nichts sagt, als was im Buche steht. Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. |
Faust: | Auf keinen! |
Mephisto: | Auf jeden! |
Faust: | Aber muui! |
Mephisto: | Fast gar nicht! |
Faust: | Hundsfott! |
Mephisto: | Gesinnungslump! |
Faust: | Knurrhahn! |
Mephisto: | Du furchtsam weggekrümmter Wurm! |
Faust: | Streithammel! |
Mephisto: | Hurensohn! |
Malte: |
...AUF JEDEN FALL: Die dennoch oft nicht verständliche Angst vor Respektverlust der "Autoritätspersonen" hinderte sie daran, eine gewisse Distanz völlig aufzuheben. Diese Distanz wurde mit dem Argument begründet, daß es später auf der Uni auch kein Händchenhalten vom Professor geben wird - Aber wir sind nicht auf der Uni... |
Mephisto. |
...und unsere Lehrer sind wahrlich keine Professoren... |
Faust: |
Du...! Wo bleibt Eure Ergebenheit, wir sprechen hier von Männern... |
Mephisto: |
...und von Frauen... |
Faust: |
...die wir alle kennen und die uns alle mit Ehrfurcht nennen!! |
Malte: |
Diese angebliche Anonymität
an den Universitäten, auf
die wir uns beziehen, sollte uns nicht dazu zwingen, unserem lieben
Varel ein Großstadtklima
aufzuzwängen, denn wir werden noch unsere eigenen schlechten
Erfahrungen machen müssen. |
Mephisto: |
In diesen Mauern, diesen Hallen, will es mir keineswegs gefallen. Es ist ein gar beschränkter Raum, man sieht nichts Grünes, keinen Baum, und in den Sälen, auf den Bänken vergeht mir Hören, Sehn und Denken! |
Faust: |
Das kommt nur auf die Gewohnheit an: So nimmt ein Kind der Mutter Brust nicht gleich im Anfang willig an. Doch bald ernährt es sich mit Lust, so wird´s Euch an der Weisheit Brüsten mit jedem Tage mehr gelüsten. |
Malte: |
Humanitas verificare necesse
est: |
Faust: |
Iudex ergo cum sedebit, quidquid latet at parebit nil in nultum remanebit. |
Mephisto: |
Wenn der Richter auf seinem Richterstuhl sitzen wird, wird offenbar werden, was verborgen ist. Nichts wird ohne Vergeltung bleiben. |
Malte: |
Ein großes Problem in unserem Jahrgang war der unterschwellige Konkurrenzkampf, der sich seit der elften Klasse kontinuierlich aufgebaut hat. Die stärkste Ausprägung kam im Laufe der nun schon zweimal genannten Abiturvorbereitung zustande. Doch dieser Grundtenor in unserem Jahrgang hatte wohl auch etwas mitreißendes an sich, da es sogar LMG-Senior-Original Jörg Könenkamp packte - auf diese Leistung ist der Abiturjahrgang stolz und erwartet eine gewisse Dankbarkeit von den nächsten drei unteren Jahrgängen, die Jörg nicht beglückte - obwohl er es fertiggebracht hätte. |
Mephisto: |
Der arme Knabe wartete lange, er darf nicht ungetröstet sein! |
Malte: |
Nun stellt sich natürlich
auch uns, wie allen Jahrgängen
zuvor, die Frage: Sind wir gut auf´s Leben
vorbereitet? Doch diese Frage zieht andere nach sich, z.
B. ob wir überhaupt diesen Anspruch
hatten und ob dies ein Ziel
unseres Schulsystems ist, oder wenigstens sein sollte. |
Faust: |
Eritis sicut deus scientes bonum et malum. |
Malte: |
Dafür haben wir unser Leben
noch vor uns. |
Mephisto + Faust: |
Hier steh´ ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wir zuvor. |